Die Zeit des Gestaltens …

In meiner Erinnerung sitze ich noch immer auf diesem Baum, unweit meines Elternhauses. Den Zeichenblock auf dem Schoß, kritzle ich flink, mit mehr oder weniger begabten Strichen, meine Gedanken aufs Papier. Meine Erinnerung tanzt mit schelmischen Blick auf der Bühne der inneren Bilder. Beim besten Willen, es gelingt mir einfach nicht, sie abzurufen, die gestalterischen Ergüsse, die sich damals Gehör verschafft haben.

Der Schelm lässt die Glocken der Vergangenheit laut klingen, aber sind die Bilder meiner Kindheit wahrhaftig? Ist schon damals für mich die Zeit des Gestaltens angebrochen?

Die Zeit

„Der einzige Grund, weshalb die Zeit existiert, ist, damit nicht alles auf einmal passiert.“Albert Einstein

Saß Einstein barfuß am Baum, als ihm dieser Gedanke mit der Zeit kam? War es vor oder nach diesem Gedanken, dass ihn die Schwerkraft wieder Richtung Boden zog?

Die Zeit des Gestaltens vs. das Gestalten der Zeit

Einstein gibt mir mit seinen Worten das Gefühl, dass es irrelevant ist, wann was passiert. Und doch verbringen wir so viel Zeit damit, unsere Zeit zu gestalten. Ich saß in einem überhitzten Vortragssaal als mich die Worte des Zukunftsforschers Harry Gatterer aus meinem innerlichen „Was-muss-ich-morgen-erledigen“-Modus rissen. Seine Aussage sinngemäß wiedergegeben: wir lieben es zu planen, aber es macht uns (laut Forschung) nicht glücklich!

Wenn uns das Gestalten der Zeit, sprich das Planen, so wenig glücklich macht, warum schlagen wir dann immer wieder den gleichen durchgetakteten Weg ein? In meinem direkten Umfeld befinden sich gar nicht so wenige Menschen, die Anfang des Jahres wissen, wie sich ihre nächsten 12 Monate gestalten. Diese Menschen behaupten jedoch, es mache sie glücklich, wenn der Terminkalender kein unbeschriebenes Blatt enthält.

Wenn wir so viel Energie ins Gestalten der Zeit investieren, bleibt uns dann noch genügend Zeit zum Gestalten?

Zurück auf den Baum

Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass mich der Schelm der Erinnerung nicht betrügt und ich tatsächlich in jungen Jahren auf diesem Baum vor meinem Elternhaus gesessen bin. Auch wenn ich mich nicht mehr an den Inhalt meines gestalterischen Ergusses erinnern kann, so ist mir sehr wohl das Gefühl präsent, dass diese Zeit des Gestaltens eine ganz besondere war.

Vergessen in der Zeit, darf man das tun, was jetzt gerade gut ist. Die Achtsamkeitstrainer*innen, mich eingeschlossen, predigen es unablässig, das Zauberwort der Aufmerksamkeit, das Gefühl der Präsenz und das Sein im Hier & Jetzt.

Der Schelm der Erinnerung lässt grüßen!

Die Zeit lässt uns die Dinge der Reihe nach erleben. Aneinandergereiht, wie die Bäume einer endlos langen Allee, stehen sie da, die Dinge der Zeit. Lasst uns gedanklich die Baumreihe entlang wandern, bis zu jenem Baum, wo die Zeit des Gestaltens unser Leben ausgefüllt hat. Ich behaupte mal kühn, dass jeder von uns diesen einen Baum in seiner Erinnerungsreihe hat.

Hast du den einen Baum gefunden? Dann ist es jetzt wohl an der Zeit deinen (virtuellen) Kalender beiseite zu legen und der Zeit den Raum fürs Gestalten zu geben.

Feel it!
Tanja Maria

P.S.: Ich liebe es noch immer zu gestalten. Ich sitze zwar nicht mehr auf dem Baum :-), aber der verträumte Blick in die Zeitlosigkeit ist mir geblieben. Mit Tusche & Feder verwandle ich meine Gedanken in zarte Illustrationen.


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Beitragsbild: (c) Jörg Rusche | www.bild-punkte.at